Original- und Nachbauersatzteile für MZ ETZ TS ES 125 150 175 250 251, IFA MZ BK 350 RT 125, IWL Pitty Wiesel Berlin Troll, EMW R 35, AWO Touren/Sport und Simson-Mopeds
Der folgende Artikel beschreibt im ersten Teil den Aufbau und die Entwicklung der Motorradindustrie in der ehemaligen DDR, vom Kriegsende bis zum Mauerfall. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Veränderungen des Straßenbildes im Zeitablauf, Versorgungsengpässen und Service sowie dem Umgang der Besitzer mit ausgedienten Fahrzeugen.
Der zweite Teil geht der Frage nach, warum Motorräder, Motorroller und Mopeds aus der DDR noch heute viele Zweirad- und Oldtimerfreunde faszinieren. Besonders beliebte Fahrzeugmodelle werden abschließend in einer Übersicht kurz vorgestellt.
1 Vom Kriegsende bis zum Mauerfall
1.1 Individuelle Mobilisierung und Devisenquelle
1.2 Aufbau und Umgestaltung der DDR-Motorradindustrie
1.3 Motorräder und Mopeds im Straßenbild der DDR
1.4 Versorgungsengpässe und Service
1.5 Umgang mit ausgedienten Modellen
2 Faszination im Heute – Freundeskreis und Zweiradmodelle
2.1 Freundeskreis
2.2 Beliebte Zweiradmodelle
2.2.1 AWO-Motorräder aus Suhl
2.2.2 R35-Motorräder aus dem Motorenwerk in Eisenach
2.2.3 IWL-Motorroller aus dem Industriewerk Ludwigsfelde
2.2.4 IFA und MZ Motorräder aus Zschopau
2.2.4.1 RT 125
2.2.4.2 BK 350
2.2.4.3 MZ ES-Modelle
2.2.4.4 MZ TS-Modelle
2.2.4.5 MZ ETZ-Modelle
2.2.5 Simson Mopeds aus Suhl
2.2.5.1 Erste Generation: SR1, SR2, SR2E und KR50
2.2.5.2 Zweite Generation: SR4 und KR51-Modelle
2.2.5.3 Dritte Generation: S50, S51, Schwalbe KR51/2 und SR50
1.1 Individuelle Mobilisierung und DevisenquelleDie DDR war ein Motorradland. Motorräder, also motorisierte Zweiräder, zu denen auch Motorroller und Mopeds gehören, spielten in den staatlichen Konzepten zur individuellen Mobilisierung unter effizientem Einsatz knapper Ressourcen eine wichtige Rolle. Breite Bevölkerungsgruppen waren mit diesen Fahrzeugen unterwegs. Mehr als 3 Millionen Motorräder verkauften inländische Hersteller und Importeure zwischen 1949 und 1989 in der DDR. Der Erwerb verlief vergleichsweise einfach. Anders als beim Kauf von Autos gab es keine lange Wartezeiten, wo zwischen Bestellung und Auslieferung mitunter mehr als 10 Jahre vergingen. Stellt man die Anzahl zugelassener Fahrzeuge der Einwohnerzahl gegenüber, dürfte das Verhältnis insbesondere in den 1980er Jahren in keinem anderen europäischen Land größer ausfallen. Auch für den Export besaß die DDR-Motorradindustrie eine erhebliche Bedeutung. Inländische Hersteller führten ihre Fahrzeuge aus in viele Länder auf der ganzen Welt. Davon zeugen Exportmodelle, fremdsprachige Bedienungsanleitungen und Ersatzteilanfragen aus dem Ausland bis heute. 1.2 Aufbau und Umgestaltung der DDR-MotorradindustrieDer Aufbau und die Umgestaltung der DDR-Motorradindustrie verlief in zwei Phasen. Die erste Phase nach dem Kriegsende ging es unter sowjetischem Einfluss darum, die Fertigung wieder anzustoßen, für Reparationsleistungen sowie zur Deckung des inländischen Bedarfs. Dabei griff man zum einen auf Werke zurück, die es schon vor dem Krieg auf dem Gebiet der DDR gab. Die Werke wurden mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet und nahmen die Fertigung auf (z.B. BMW Werk in Eisenach, DKW Werk in Zschopau). Gefertigt wurden zunächst nur bekannte Modelle, später kamen Weiter- und Neuentwicklungen hinzu. Zum anderen wurden neue Hersteller mit der Motorradentwicklung und -fertigung beauftragt. Dazu gehörten die Simson Werke in Suhl, in jener Zeit mit der Herstellung von Fahrrädern und Jagdwaffen beschäftigt, und die Industriewerke in Ludwigsfelde, die Werkzeugmaschinen produzierten. Die zweite Phase leiteten wirtschaftliche Überlegungen staatlicher Instanzen ein, die auf Konzentration, Spezialisierung und länderübergreifende Arbeitsteilung abzielten. Nach der Umsetzung gab es in der DDR nur noch je einen Hersteller für Motorräder und für Mopeds, MZ in Zschopau und Simson in Suhl. Das Eisenacher Motorenwerk gab die Motorradfertigung zu Gunsten der PKW Wartburg Produktion auf. Simson baute keine AWO-Motorräder mehr. Die Industriewerke in Ludwigsfelde konzentrierten sich auch den LKW-Bau. Motorroller importierte die DDR ersatzweise. Die beiden Phasen spiegeln sich im Straßenbild und im Fahrzeugservice wider. 1.3 Motorräder und Mopeds im Straßenbild der DDRAuf den Straßen der DDR rollten vor allem Fahrzeuge aus inländischer Produktion, seltener welche aus Importen (z.B. CZ, Jawa, Pannonia, Zündapp) und aus Altbeständen (Vorkriegsmodelle). Die Fahrer waren damit weniger aus reinem Vergnügen unterwegs, sondern fuhren zur Arbeit, zum Einkauf oder zu Besuchen. Im Laufe der Zeit wandelte sich das Straßenbild. Anfänglich noch häufig anzutreffende Modelle von AWO, EMW und IWL verschwanden von den Straßen. Die Gründe dafür liegen in staatlichen Entscheidungen, die z.B. die Fertigung in den Händen bestimmter Hersteller konzentrierten. Ende der 1980er Jahre dominierten die verschiedenen MZ-Motorrad- und Simson-Moped-Modelle den Straßenverkehr auf zwei Rädern. Sie waren an die finanziellen Möglichkeiten und die Wünsche der Bevölkerung durch Ausstattungsunterschiede angepasst. Vergleichsweise preiswerte Grundmodelle ergänzten Varianten mit Extras gegen Aufpreis. Alle waren als robuste und wartungsarme Fahrzeuge für sehr lange Nutzungszeiten konzipiert. Traten im Betrieb Defekte auf, konnte man diese durch Austausch oder Reparatur einzelner betroffener Bauteile beheben. 1.4 Versorgungsengpässe und ServiceDie Hersteller unterstützten ihre Kunden beim Betrieb der Fahrzeuge. Zum Service gehörten Vertragshändler und Vertragswerkstätten. Entsprechende Einrichtungen von EMW und IWL verschwanden sehr schnell nach der Einstellung der Produktion. Ersatzteile dafür waren nur schwierig zu beschaffen. Findigen DDR-Bürger half ihr Improvisationsvermögen bei der Anpassung zwar modellfremder aber ähnlicher Ersatzteile weiter. Andere beschafften sich ein komplettes Motorrad als Ersatzteilspender oder bauten vor der Verschrottung eines Fahrzeuges wichtige Teile aus (z.B. Kardan, Motor, Getriebe). Dagegen erstreckte sich ein dichtes Netz aus Vertragshändlern und Vertragswerkstätten für MZ und Simson über das gesamte Gebiet der DDR. In den Läden der Vertragshändler konnte man Ersatzteile für Reparaturen in Eigenregie beschaffen. Wesentliche Ersatzteile wie z.B. Unterbrecher und Zündkerzen waren nahezu immer vorrätig. Versorgungsengpässe gab es bei Ersatzteilen, die weniger funktionsrelevante Teile waren wie z.B. neue Auspufftöpfe. Solche Mangelware erhielten die regionalen Händler kontingentiert zugeteilt, z.B. 10 Stück Auspuffe MZ TS 125-150 je Monat für die Händler in der Region Zwickau. Die Kunden neigten mangels Erhältlichkeit vielfach dazu, aktuell verfügbare Ersatzteile zu bunkern. Auf Vorrat gekaufte Teile waren beliebte Währung für Tauschgeschäfte. Wer sich selbst nicht weiter helfen konnte, brachte sein Fahrzeug in eine Vertragswerkstatt. Dort übernahmen speziell ausgebildete Kfz-Mechanikern und -Meister die Reparatur. 1.5 Umgang mit ausgedienten ModellenWas geschah mit einem Motorrad oder Moped, wenn es ausgedient hatte, beispielsweise weil sein Besitzer endlich das ersehnte Auto erhielt? In den Zeiten der DDR entschied man sich meistens für eine der drei Möglichkeiten, verkaufen, verschrotten oder aufheben. |
2.1 FreundeskreisIm Gespräch mit ehemaligen Besitzern eines DDR-Motorrades oder -Mopeds vernimmt man oft Sätze wie „Hätte ich das Motorrad nur behalten!“, „Warum nur habe ich das Moped auf den Schrott gebracht?“ oder „Wenn ich das gewusst hätte!“. Den großen Anklang, den die Fahrzeuge später einmal finden sollten, erahnten nur wenige. Legenden benötigen bis zur Reife eben Zeit. Dabei ist es der Legendenbildung zuträglich, wenn wichtige Akteure verschwinden, manchmal ein Hersteller, manchmal auch ein ganzer Staat. 2.2 Beliebte Zweiradmodelle aus der DDR2.2.1 AWO-Motorräder aus SuhlBeginnend im Jahr 1950 liefen drei AWO-Modelle vom Suhler Band. Das erste Modell, die AWO 425, wurde bis 1955 hergestellt. Einen Vorgänger gab es nicht. Die Neukonzeption orientierte sich an den BMW Modelle R24 und R25. Dabei steht AWO kurz für Awtowelo, der damaligen Bezeichnung des Herstellers, einer deutsch-sowjetischen Aktiengesellschaft, zu der unter anderem das Suhler Werk gehörte. Awtowelo bedeutet aus dem russischen übersetzt so viel wie selbstfahrendes Rad. Den Antrieb übernimmt ein 4-Takt-Motor mit 250ccm Hubraum. Daraus leitet sich die Zahl 425 in der Modellbezeichnung ab. Die AWO 425 löste im Jahr 1955 die Simson 425T ab. Umfirmierungen und Maßnahmen zur Reorganisation bedingten den Bezeichnungswechsel von AWO auf Simson. Das ergänzende T steht für Touren-Modell, in Abgrenzung zum modernerem S-Modell, das ab 1956 als Simson 425S das Suhler Werk verließ. Die Produktion der Touren AWO endete im Jahr 1960. Die Fertigung der Sport AWO stellte Simson im Jahr 1962 auf staatliche Weisung und zugunsten der Herstellung von DDR-Mopeds ein, die seit 1955 parallel zur Motorradproduktion lief. 2.2.2 R35-Motorräder aus dem Motorenwerk in EisenachDas Motorenwerk in Eisenach bestand schon vor dem Krieg, als Zweigstelle von BMW. Nach Kriegsende wurden aus alten Lagerbeständen soweit möglich verschiedene R-Modelle montiert. Wichtigstes Eisenacher Modell war die R35, für die das Werk den Teilenachschub organisierte. R steht kurz für Rad und 35 für den Hubraum (350ccm). Es lief bis 1951 noch unter der Bezeichnung BMW R35 vom Band. 2.2.3 IWL-Motorroller aus dem Industriewerk LudwigsfeldeDer einzige Hersteller von Motorrollern in der DDR waren die Industriewerke Ludwigsfelde (IWL). Bis zum Kriegsende hatten sie Flugzeugmotoren und ab 1950 Werkzeugmaschinen gefertigt. Auf staatlichen Beschluss wurde IWL mit der Motorrollerproduktion für das Inland und den Export beauftragt. Gestützt auf angepasste und zur Kühlung mit einem Gebläse versehene MZ-Motoren entstanden in der Fertigungsstraße ab 1955 vier Rollermodelle. Die Rollerproduktion stellte IWL im Jahr 1964 ein, um sich auf die Herstellung von Lastkraftwagen zu konzentrieren. Die entstandene Angebotslücke sollten aus der Tschecheslowakei importierte Motorroller wie Tatran und Manet schließen. 2.2.4 IFA und MZ Motorräder aus Zschopau2.2.4.1 RT 125Die RT 125 war das erste Motorrad, das nach Kriegsende vom Band des ehemaligen DKW-Werkes in Zschopau lief. Die Konstrukteure hatten das Vorgängermodell, die DKW RT 125, weiter entwickelt. RT steht dabei für Reichstyp, die 125 für den Motor mit 125ccm Hubraum. Als Herstellerbezeichnung konnte man im Erscheinungsjahr 1950 noch den Schriftzug IFA/DKW auf den Tankemblemen und dem Typenschild lesen. Im Laufe der Zeit verschwand das DKW aus der Bezeichnung und das Motorrad wurde bis ins Jahr 1954 als IFA RT 125 an die Kunden ausgeliefert. IFA bedeutet Industrieverband Fahrzeugbau, dem das Zschopauer Werk in jener Zeit angehörte. 2.2.4.2 BK 350Die BK 350 fertigten die Zschopauer Motorradbauer ab 1952. Ein vergleichbares Fahrzeug hat es weder davor noch danach wieder gegeben. Den Zweitakter trieb ein 2-Zylinder-Boxer-Motor. Seine Kraft übertrug ein Kardan auf das Hinterrad. Das Motorrad erhielten die Kunden bis 1956 als IFA BK 350. IFA steht für den Hersteller, den Industrieverband Fahrzeugbau, dem das Zschopauer Werk damals angehörte. Die Modellbezeichnung BK leitet sich ab aus Boxer-Kardan, die 350 aus dem Hubraum des Motors. 2.2.4.3 MZ ES-ModelleMZ ES 175 und MZ ES 250 MZ ES 175/1 und MZ ES 250/1 MZ ES 125 und MZ ES 150 MZ ES 175/2 und MZ ES 250/2 MZ ES 125/1 und MZ ES 150/1 2.2.4.4 MZ TS-ModelleMZ TS 125 und MZ TS 150 MZ TS 250 und MZ TS 250/1 2.2.4.5 MZ ETZ-ModelleMZ ETZ 250 MZ ETZ 125 und MZ ETZ 150 MZ ETZ 251 2.2.5 Simson Mopeds aus Suhl2.2.5.1 Erste Generation: SR1, SR2, SR2E und KR50Einziger Hersteller von Mopeds in der DDR war das Simson Werk in Suhl. Parallel zur bereits seit 1950 rollenden Motorradproduktion begann im Jahr 1955 die Mopedfertigung in einer ersten Generation. Ihr gehören vier Modelle an, und zwar die Mopeds SR1 (1955-1957), SR2 (1957-1959), SR2E (ab 1959) und der Kleinroller KR50 (ab 1958). Die Fertigung von SR2E und KR50 endete im Laufe des Jahres 1964, als die zweite Suhler Mopedgeneration am Markt erschien. 2.2.5.2 Zweite Generation: SR4 und KR51-ModelleDie zweite Generation, die Vogelserie, fertigte Simson ab 1964. Ihr gehören die Mopeds Spatz mit Pedalen (SR4-1P, bis 1967) bzw. Kickstarter (SR4-1K, bis 1970), Star (SR4-2, bis 1975), Sperber (SR4-3, 1966-1972) und Habicht (SR4-4, 1971-1975) an. Dabei zählte der Sperber nach der damaligen Rechtslage trotz seines Hubraums von ca. 50ccm zu den Motorrädern, da veränderte Steuerzeiten am Zylinder und der daran angepasste Vergaser mit Ansauganlage für eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 80km/h sorgten. Zu der zweiten Suhler Mopedgeneration hinzu kommt noch die Simson Schwalbe KR51. Wegen der Sonderstellung des verkleideten Kleinrollers rollte die Schwalbe noch bis 1980 als KR51/1 vom Suhler Band (>>>Simson Schwalbe KR51/0-1 Modellübersicht). Seit dem Produktionsende der IWL Motorroller im Jahr 1964 gab es kein anderes motorisiertes Zweirad aus der DDR, das dem Fahrer einen vergleichbaren Wetterschutz bot. 2.2.5.3 Dritte Generation: S50, S51, Schwalbe KR51/2 und SR50Die dritte und letzte DDR-Mopedgeneration leitete Simson im Jahr 1975 mit dem S50 ein. Das Moped erhielt ein neues Fahrwerk mit einer Telegabel für die Vorderradfederung, wie es sich die Kunden gewünscht hatten. Den Motor kühlte der Fahrtwind anstatt eines Gebläses. Zylinderkopf, Zylinder, Motorgehäuse und Gehäusedeckel entwickelt Simson speziell für das Fahrzeug. Im Jahr 1980 folgte dem S50 das S51. Wesentlichste Neuerung war der kurzhubige Motor, der je nach S51-Modell ein 3-Gang- oder 4-Gang-Getriebe besaß (>>>Simson S51 Modellübersicht). Vom S50 Motor wurde nahezu kein Bauteil übernommen. Im gleichen Jahr überarbeitete Simson auch die Schwalbe, die nun ausgestattet mit dem neuen Motor als KR51/2 das Suhler Werk verließ (>>>Simson Schwalbe KR51/2 Modellübersicht). Den Kleinroller überarbeitete Simson später komplett. Sein Nachfolger kam im Laufe des Jahres 1986 unter der Bezeichnung SR50 als letztes DDR-Moped auf den Markt. Neue Simson Modelle sollte es erst nach der Wende wieder geben. |